Bei Herstellern und Händlern steigt das Bewusstsein dafür, die Kaffeelieferkette verantwortungsvoller zu gestalten. Doch es liegt noch ein weiter Weg vor uns, wenn es darum geht, die Arbeitsbedingungen in den jeweiligen Produktionsländern wirklich zu verbessern. Auf der diesjährigen Konferenz der National Coffee Association (NCA) in Atlanta, USA, diskutierten führende Kaffeehersteller, NGOs und Stakeholder die dringlichsten Fragen der Branche. Moderiert von Miguel Zamora, Director of Markets Transformation, bei der Rainforest Alliance, ging es in der Diskussion vor allem um mögliche Lösungsansätze.
Drängende Arbeitsprobleme verstehen
Als besondere Herausforderung wird die mangelnde Transparenz hinsichtlich der Lebensbedingungen der Kaffeebauern für die gesamte Lieferkette gesehen. In vielen Fällen tun sich Unternehmen in der Kaffeeindustrie noch schwer, zu wissen, wie es um die Bedingungen für Produzenten und Arbeitskräfte wirklich bestellt ist. So stehen Landwirte, die für die Kaffeeproduktion von entscheidender Bedeutung sind, vor großen Herausforderungen. Insbesondere Kleinbauern sind von Armut, Rohstoffpreisschwankungen und zunehmend unregelmäßigen Niederschlägen infolge des Klimawandels betroffen. Außerdem sind sie auf die Arbeit von Saison-, Wander- und Leiharbeitern angewiesen, die die Ernte auf den Farmen unterstützen. Der Kaffeeanbau ist hart und muss von den Arbeitern manuell verrichtet werden. Sie müssen oft schwere Lasten an steilen Hängen tragen. Zudem wohnen Arbeitskräfte oft in dürftigen Unterkünften, erhalten niedrige Löhne und genießen nur begrenzten arbeitsrechtlichen Schutz. Gleichzeitig bekommen sie keine oder nur eine eingeschränkte Altersvorsorge, bezahlten Urlaub oder Versicherungsleistungen.
Marken- und Compliance-Risiko für Unternehmen

Aus menschenrechtlicher Sicht ist es also dringend notwendig, diese Herausforderungen anzugehen. Gleichzeitig sehen wir in letzter Zeit ein starkes Interesse seitens Regierungsinstitutionen. So geht auch die Gesetzgebung immer stärker auf Themen wie Beschaffungspraktiken und Zwangsarbeit, einschließlich Kinderarbeit, ein. Und auch Verbraucher, einschließlich Kaffeekonsumenten, setzen sich zunehmend aktiv mit Menschenrechtsfragen auseinander. Sie wissen mittlerweile besser Bescheid, was die Siegel und Standards der von ihnen gekauften Produkte wirklich bedeuten. Setzt sich dieser Trend fort, dann werden Konsumenten zögern, Produkte und Marken zu kaufen, bei denen nicht klar erkennbar ist: Engagiert sich der Hersteller für Menschenrechte? Ist die Lieferkette transparent?
Diese Entwicklung stellt für die Kaffeeindustrie eine Herausforderung dar, aber auch einen Anreiz, die Nachhaltigkeit ihrer Lieferketten zu verbessern, das Risiko der Ausbeutung im Kaffeeanbau zu verringern und die Lebensbedingungen von Landwirten, Arbeitnehmern, Familien und ihrem Umfeld zu verbessern. Diese Themen bleiben für unternehmerische Verantwortung von zentraler Bedeutung.
Gemeinsam genutzte Social-Compliance-Systeme sind eine mögliche Lösung
Eines der wichtigsten Anliegen der Konferenz war es daher aufzuzeigen, welche Bedeutung Social-Compliance-Systemen beim Thema Arbeitsbedingungen zukommt. Ein solches System enthält integrierte Richtlinien und Praktiken, um einen gewünschten Verhaltenskodex in Bezug auf Sozial- und Arbeitsfragen besser durchzusetzen. Damit helfen Social-Compliance-Systeme, die Ausbeutung von Arbeitskräften, einschließlich Zwangsarbeit, zu überwachen, zu verhindern und zu beheben. Gleichzeit bezieht ein integriertes Social-Compliance-System Unternehmenspartner und Interessengruppen vor Ort mit ein. Es erlaubt, Risiken zu bewerten, einen Verhaltenskodex zu entwickeln, die Einhaltung von Vorschriften zu überwachen und Verstöße zu beheben. Außerdem unterstützt es dabei, unabhängige Prüfmaßnahmen, Transparenz sowie Kommunikations- und Schulungs-Maßnahmen entlang der gesamten Lieferkette durchzuführen.

Obwohl sie maßgebliche Vorteile mit sich bringen, kann es für Unternehmen aufwändig sein, Social-Compliance-Systeme zu managen. Deshalb funktioniere der Ansatz am effektivsten, wenn die Systeme von mehreren Unternehmen gemeinsam entwickelt und genutzt werden. Im Idealfall arbeiten Kaffeeunternehmen also zusammen. Kooperieren sie darüber hinaus mit NGOs vor Ort, erhalten sie Zugang zu weit umfassenderen Informationen. Dies stärkt ein gemeinsames Auftreten gegenüber Regierungen und politischen Entscheidungsträgern weltweit. Ressourcen und Systeme auf diese Weise zu bündeln, kann wiederum bessere Bedingungen schaffen, von denen Landwirte und alle Beteiligten der gesamten Lieferkette profitieren. Schlussendlich bietet ein Social-Compliance-System also die Chance, das unternehmerische Risiko für Marken zu reduzieren, die eigene Compliance zu verbessern und Kosten zu senken.
Wie können Unternehmen sich engagieren und profitieren?
Es gibt viele Möglichkeiten für Unternehmen, sich für bessere Arbeitsbedingungen im Kaffeesektor einzusetzen. Dazu gehören Initiativen wie die Sustainable Coffee Challenge oder auch die Nachhaltigkeitsprogramme und unabhängige Zertifizierung wie zum Beispiel Rainforest Alliance oder UTZ.
Unabhängig von einer Zertifizierung bietet Rainforest Alliance in diesem Jahr auch die Möglichkeit, sich aktiv an der Weiterentwicklung der beiden führenden Nachhaltigkeitszertifizierungen im Kaffeesektor zu beteiligen. Damit kann der Kaffeesektor einen wertvollen Beitrag zum innovativen Nachhaltigkeits- und Zertifizierungsansatz der Rainforest Alliance leisten, der helfen wird, Zwangsarbeit zu bekämpfen und die Arbeitsbedingungen im Kaffeeanabau zu verbessern.