Wie können wir unsere Wälder künftig besser vor großflächigen Rodungen schützen? Diese Frage war ein wichtiges Thema auf der diesjährigen Specialty Coffee Expo im US-amerikanischen Boston. Der Gastgeber, die Specialty Coffee Association, brachte im April zum 31. Mal die weltweite Kaffee- und Teebranche zusammen – eine wichtige Plattform auch für uns, um das Thema Nachhaltigkeit weiter voranzutreiben. So war unser Sustainable Coffee-Frühstück mit 290 Teilnehmern aus aller Welt ein voller Erfolg. Während unserer Podiumsdiskussion stellten wir die Frage in den Fokus, ob die Kaffeebranche eine gemeinsame Verpflichtung gegen die Abholzung von Wäldern auf den Weg bringen kann (und sollte). Wir berichten Ihnen hier, wie die Branche unseren Vorschlag eines Zero Deforestation Commitment aufgenommen hat und welche Argumente dabei ins Feld geführt wurden.
Flächenrodungen in der Kaffeebranche – wo liegt eigentlich das Problem?
Die großflächige Abholzung der weltweiten Baumbestände ist eine von vielen Begleiterscheinungen unseres Bevölkerungswachstums – wir brauchen immer mehr Anbauflächen, um Milliarden von Menschen zu versorgen. Es ist erschreckend: Über 80 Prozent der Regenwaldrodungen gehen auf das Konto landwirtschaftlicher Unternehmen! Wir haben es hier mit einem massiven Problem zu tun, sind Wälder doch die grüne Lunge unseres Planeten und damit eine der wirksamsten Waffen gegen den Klimawandel. Bäume reinigen die Luft und absorbieren rund 40 Prozent der durch fossile Verbrennungen verursachten CO2-Emmissionen. Damit nicht genug: Unsere Wälder sind die reinsten Paradiese für Biodiversität. Sie beherbergen 80 Prozent aller Pflanzen- und Tierarten, die wir auf der Erde vorfinden. Und nicht zuletzt sind sie auch Heimat von 1,6 Millionen Menschen.
Eine landwirtschaftliche Sparte, die einen massiven Einfluss auf unseren globalen Baumbestand hat, ist die Kaffeeindustrie. Der Anbau von Kaffeebohnen ist im Laufe des zurückliegenden Jahrzehntes deutlich angestiegen und wird Prognosen zufolge auch in den kommenden Jahren wachsen – und sich noch stärker in Waldgebiete ausdehnen. Diese Entwicklung ist neben der steigenden Nachfrage auch klimatischen Veränderungen geschuldet: Neue, geeignete Anbauflächen werden künftig auch in höheren Lagen zu finden sein. Lagen, die bis dato noch mit wertvollen Urwäldern besiedelt sind.

Genau diese Probleme wollen wir angehen. Wir zertifizieren deshalb unter anderem auch den nachhaltigen Anbau von Kaffee. Das Rainforest Alliance-Zertifikat oder das UTZ-Siegel werden nur dann vergeben, wenn der Kaffeeanbau den Standards nachhaltigen Landwirtschaftens sowohl unter ökologischen und wirtschaftlichen als auch unter sozialen Gesichtspunkten gerecht wird. Mauricio Galindo, der sein Land Kolumbien vertritt und bei uns zudem federführend die Projekte im Bereich Kaffee betreut, berichtete auf der SCA Podiumsdiskussion interessante Details. So kommen zum Beispiel die meisten zertifizierten Kaffeesorten aus Brasilien, Kolumbien, Vietnam und Honduras. Unsere Analysen weisen zugleich allerdings auch darauf hin, dass die Waldflächen in Nicaragua, Honduras, Peru und Indonesien durch die extensive Kaffeelandwirtschaft besonders bedroht sind.
Was den Schutz der Wälder vor „Kaffee-Raubbau“ erschwert
Derzeit gibt es noch eine Reihe von Herausforderungen, die für einen nachhaltigen Schutz der Wälder vor den Rodungsmaschinen der Kaffeeindustrie gemeistert werden müssen. Die Branche hat bereits einiges auf den Weg gebracht, um einer Entwaldung entgegen zu wirken, folgende Lücken müssen allerdings noch geschlossen werden:
- 55 Prozent der globalen Kaffeeproduktion ist zertifiziert, allerdings landen nur 20 Prozent dieser Erträge auch mit einem Zertifikat im Ladenregal;
- Die Art und Weise, wie die einzelnen Zertifikate und Siegel das Thema Entwaldung adressieren, variiert sehr stark;
- es gibt blinde Datenflecken, wenn es darum geht, aktuelle Kaffeeanbaugebiete zu lokalisieren;
- Unternehmen und Regierungen setzen sich nur sehr verhalten für intensivere Maßnahmen zum Schutze der Wälder gegen Kaffeeraubbau ein; auf der anderen Seite ist immer noch viel zu wenig bekannt, inwiefern sich Kaffee positiv auswirken und sogar Teil von Wiederaufforstungsmaßnahmen sein kann;
- es ist durchaus eine Herausforderung Geschäftsmodelle zu entwickeln, die allen Anforderungen an eine ökologisch und sozial nachhaltige Produktion gerecht werden und zugleich wirtschaftlich tragfähig sind.
Zertifizierung ist Teil der Lösung
Die vorab skizzierten Herausforderungen zeigen deutlich, wie wichtig es ist, alle Akteure in den Prozess einzubinden. Nur so schaffen wir es, dass die Kaffeebauern die gesamte Verantwortung nicht alleine tragen müssen. Der 2018 Rainforest Alliance Impact Report belegt ganz klar, dass zertifizierte Kaffeeproduzenten sehr viel zum Schutz von natürlichen Ökosystemen beitragen.
Landwirte, die an den Zertifizierungsprogrammen der Rainforest Alliance teilnehmen, bekommen wichtiges Know-how für einen nachhaltigen Anbau an die Hand: Sie kennen alternative Anbaumethoden, die einer Abholzung wertvoller Baumbestände entgegenwirken. Dazu gehört unter anderem die Produktivität bestehender Anbauflächen zu erhöhen, vernachlässigte Böden wieder fruchtbar zu machen, den Anbau in geschützten Gebieten zu unterbinden, gezielt Bäume zur Beschattung zu pflanzen und vieles mehr. Landwirte, die sich zertifizieren lassen wollen, müssen zudem eine GPS-basierte Überwachung der Anbauflächen gewährleisten. So soll sichergestellt werden, dass die betreffenden Agrarflächen tatsächlich den Schutzbestimmungen entsprechend genutzt werden. Darüber hinaus lässt sich mit einem derartigen Monitoring natürlich auch auswerten, in welchem Ausmaß die zertifizierten Produzenten zum Umwelt- und Naturschutz beitragen.
Die gesamte Branche muss an einem Strang ziehen
Die Debatte gegen Abholzung und für eine Zero Deforestation-Verpflichtung wird in der Kaffeebranche derzeit noch sehr leise geführt. Umso wichtiger ist es, dass wir dieses Thema weiter vorantreiben. Vorhersagen gehen davon aus, dass der Konsum von Kaffee weitere Rekorde brechen wird. Welche Bedeutung das für den weltweiten Baumbestand haben könnte, ist nicht schwer zu raten. Wenn wir nichts unternehmen, müssen wir damit rechnen, dass die Rodung von Wäldern und mit ihr der Klimawandel weiter voranschreiten werden. Dieser wird allerdings auch an der Kaffeeindustrie nicht spurlos vorbeigehen. Genau das ist der Grund, warum wir ein branchenweites Abkommen gegen die großflächige Rodung von Wäldern sehr begrüßen würden. Aus unserer Sicht wäre eine Zero Deforestation-Verpflichtung mehr als sinnvoll.

Durch die Zertifizierung von Kaffeeproduzenten sind bereits sehr wichtige Meilensteine erreicht worden. Allerdings braucht es mehr als freiwillige Standards, um einer Entwaldung mit Nachdruck entgegen zu wirken. Hierzu hat Mauricio Galindo auf der Expo in Boston klare Worte gefunden: „Wir benötigen verlässliche und effektive Kontrollmechanismen zum Schutze unserer Wälder. Nur so können wir sicherstellen, dass zertifizierte Landwirte nicht einfach zu anderen Anbauverfahren übergehen, die dem Baumbestand letzten Endes doch wieder schaden.“
Mauricio betonte zudem, wie wichtig es sei, die Produktivität auf bestehenden Wald- und Ackerflächen zu erhöhen und brachliegende Gebiete wieder nutzbar zu machen. Natürlich dürfen weder bei der Beschaffung noch in der Produktion kritische Aspekte wie Bodenbesitzrechte, Arbeitsbedingungen, der nachhaltige Einsatz von Wasser, die Nutzung giftiger Pestizide oder auch die Zerstörung anderer Ökosysteme in Vergessenheit geraten. Nur so können wir sicherstellen, dass die Veränderungen, die wir in diesem Bereich anstreben, auch den Arbeitern und der Umwelt vor Ort nützen und damit in allen Dimensionen nachhaltig sind.
Fortschritt braucht Verbündete
Vor uns liegt wahrlich genug Arbeit – unsere Ziele können wir nur dann erreichen, wenn alle Akteure an einem Strang ziehen. Die Partnerunternehmen der Rainforest Alliance sind bereits Teil der Lösung, weil sie auf Produkte setzen, die von uns oder UTZ zertifiziert sind. Damit tragen sie zu einer Wertschöpfungskette bei, die ganz ohne das Abholzen von Wäldern auskommt. Wie freuen uns über jede Initiative, jeden Zusammenschluss innerhalb der Kaffeebranche, die mit uns den Schutz des weltweiten Baumbestandes zur gemeinsamen Sache erklärt. Und wir lassen nicht locker, wenn es um die Entwicklung von nachhaltigen und zugleich wirtschaftlich tragfähigen Konzepte zur Produktion von Kaffee geht. Wir wollen, dass verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln zur Normalität wird.
Unterstützen Sie unsere Arbeit und werden Sie Mitglied der Rainforest Alliance. Damit können Sie ab sofort auf eine breite Palette an zertifizierten Produkten und Rohstoffen zugreifen.
Sie wollen mehr über unser Engagement gegen die weltweite Abholzung von Wäldern erfahren? Wir freuen uns, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen! Schreiben Sie einfach eine Nachricht an Henriette Walz – sie ist unsere Expertin für alle Fragen rund um das Thema Entwaldung.